Silly (with Tamara Danz) 1982 Live in der Coswiger Börse
Eines meiner ersten erwähnenswerten Konzerterlebnisse war 1982 die DDR-Rockband Silly. Damals noch unter dem Namen "Familie Silly" mit Tamara Danz.
Tamara Danz 1986
1978 wurde die Band in Berlin Prenzlauer Berg gegründet und tourte durch Bars und Vergnügungslokale der DDR mit Anfangs hauptsächlich gespielten Coverversionen.
Ein westberliner Plattenproduzent hörte ein paar eigene Songs der Band und war total begeistert. So brachte Familie Silly 1981 ihre erste Platte "Tanz keinen Boogie" bei der westberliner Plattenfirma Hansa-Musik in der Bundesrepublik heraus. Amiga zog wenig später nach und ließ diese LP auch in der DDR mit dem bekannten DDR-Label erscheinen. Der Medienrummel um Familie Silly war in Ost- und Westdeutschland nicht mehr aufzuhalten. Die Band räumte fortan alle Preise ab.
Die Zusammenarbeit mit dem Texter Werner Karma erwies sich als goldrichtig und wurde dem Anspruch der Band und deren Fans mehr als gerecht und eine steile Karriere begann.
Ein Freund erzählte mir, das Familie Silly bald in der Börse spielt. Leider gab es keinen Kartenvorverkauf. Da dieses Konzert an einem Freitag stattfand trafen wir uns mehrere Stunden vor Konzertbeginn an der Börse in Coswig. Ich kam zu dieser Zeit aus Zwickau, Heiko M. aus Ruhland und Andreas P. aus Berlin angereist. Jeder von uns besuchte ein Internat zwecks Lehrausbildung.
Am späten Nachmittag befanden wir uns dann in einer langen Menschenschlange am Eingang der Börse und warteten auf den Ticketverkauf. Etwa 500 Karten gingen insgesamt nur über den Ladentisch, danach wurde niemand mehr hineingelassen und die Eingangstür blieb verschlossen. Gegen 19 Uhr waren wir dann die glücklichen Ticketbesitzer und durften ins innere der Börse. Die noch verbleibende Zeit nutzten wir, um unseren großen Durst zu stillen. Ein paar halbe Liter Bier wurden erst einmal vertilgt. Der Konzertbeginn war auf 20 Uhr festgelegt, aber die Zeit war schon deutlich überschritten und von Familie Silly keine Spur.
Aus den Lautsprecherboxen ertönte dezente Discomusik und der Alkohol floß in Strömen. Eine Ansage ertönte plötzlich etwa 21:30 Uhr: "da Familie Silly sich so sehr verspäten, ist es unwahrscheinlich, dass das Konzert überhaupt noch stattfindet". Frustrierte Bu-Rufe der total verärgerten Fans waren aus allen Richtungen zu vernehmen und sehr viele Leute verließen den Konzertsaal. Wir blieben noch eine Weile, das war unser Glück, denn kurz nach 22 Uhr ertönte eine weitere Ansage des Veranstalters: "die Band ist jetzt eingetroffen und wird in wenigen Minuten auftreten". Wir jubelten und schon wurde das Schlagzeug aufgebaut, danach die gesamte Anlage. Kurz darauf erschienen die Musiker, Thomas Fritzsching (Gesang, Gitarre), Matthias Schramm (Bass), Manfred Kusno (Keyboard), Ulrich Mann (Keyboard) und Mike Schafmeier (Schlagzeug) und begaben sich hinter ihre Instrumente.
Das Besondere an diesem Konzert war die sehr geringe Distanz zu den Musikern, da sie ohne Abgrenzung zum Publikum vor der Bühne spielten. Außerdem waren schon sehr viele Fans zwecks der Verspätung nach Hause gegangen und es gab nur geringes Gedränge.
Mit einem Intro begann das Konzert. Während der Musik ging der Bühnenvorhang auf und es erschien Tamara Danz. Sie schritt gelassen mit einem Lächeln zum Mikrofon und begrüßte die Fans. Familie Silly spielten an diesem Abend alle ihre Hits rauf und runter. Wir waren beeindruckt, wieviel Ausdruckskraft sie jedem einzelnen Song verlieh. Ihre Stimme war Live genauso gut, wie bei ihren Studioaufnahmen. Ziemlich zum Schluss gab die Band noch "Ich bin der letzte Kunde" mit Mike Schafmeier am Mikro zum besten. Der Saal bebte vor Beifall und alle sangen mit. Dieser Song war in jener Zeit ein riesen Hit. Das Konzert war ganz große Klasse!!
Nachtrag vom Mai 2006:
Im nachhinein bin ich froh die Legende Tamara Danz Live erlebt zu haben. Sie versuchte nicht nur großartige Musik zu machen, sondern war ihrem politischen Standpunkt immer treu. Sie zog den unbequemen Weg vor und half auf ihre Art einen großen Beitrag zur Einheit Deutschlands beizusteuern. Werner Karma und Tamara Danz verwendeten in ihren Texten die sogenannten "grünen Elefanten". Das waren versteckte Andeutungen zu den Lebensumständen in der DDR. Die Zuhörer konnten sehr viel zwischen den Zeilen "lesen". Die grünen Elefanten wurden teilweise von der "Zensur" des DDR-Regims nur schwer erkannt, aber vom bewusst hörenden Publikum ausgiebig herausgefiltert, so wurden die versteckten Botschaften gegen den Staat DDR weitergegeben. Diese Vorgehensweise war haarscharf an der Grenze des machbaren.
Leider fielen der Zensur unzählige Texte und das komplette Album "zwischen unbefahr'nen Gleisen" zum Opfer, aber Tamara blieb standhaft und kämpfte weiter.
Ihr Engagement führte zu vielen Konfrontationen mit der politischen Führung der DDR. Die Band Silly verweigerte permanent Auftritte bei politischen Großveranstaltungen und zeigte damit ganz klar eine Distanzierung zur Politik in der DDR auf.
Am 18.09.89 ist Tamara Mitinitiatorin und Erstunterzeichnerin der Resolution der Rockmusiker und Liedermacher der DDR-Regierung, in der Zulassung oppositioneller Gruppen und politische Reformen gefordert werden. Tamara verliest den Text verbotenerweise vor den Konzerten. Oktober: Teilnahme an verschiedenen Protestveranstaltungen u.a. Konzert gegen Gewalt, in der Berliner Erlöserkirche gegen Übergriffe der Sicherheitskräfte bei den Demonstrationen am 7. und 8. Okt. Schwer Krebskrank produziert Tamara Danz 1996 im eigenen Danzmusik Studio ihre letzte CD "Paradies", kurz darauf stirbt am 22.07.96 diese großartige Sängerin.